Wohn- und Geschäftshaus am Prinzipalmarkt
Das Wohn- und Geschäftshaus am Prinzipalmarkt 41 stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Jahr 1523. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gehörte es trotz zweier Umgestaltungen der Fassade zu den Prinzipalmarkt-Häusern, die den frühen architektonischen Zustand dieses Ortes am besten dokumentierten. Im Gegensatz zu etlichen Nachbargebäuden hat es keine nennenswerten Veränderungen des Hauses gegeben, sodass die sehr markante Fassade in bauzeitlichem Zustand bis 1944 erhalten geblieben ist. Einer der ersten Besitzer des Hauses P41 war Bernd Knipperdolling, der als Bürgermeister und Anführer der Wiedertäufer- Bewegung in Münster Bekanntheit erlangte. Diese apokalyptische Bewegung benannte Münster im Jahr 1530 in "Neu-Jerusalem" um und positionierte ihre Druckerei in das Haus Nummer 41. Zusammen mit den beiden anderen Anführern wurde Knipperdolling am
22. Januar 1536 auf dem Kirchplatz vor seinem Haus zunächst gemartert, hingerichtet und zuletzt post mortem in drei Käfigen am Kirchturm von St. Lamberti aufgehängt.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Innenstadt von Münster nahezu vollständig zerstört. Auch das Haus P41 wurde bei mehreren Bombenangriffen getroffen und vollständig zertrümmert, wobei nur die Säulen des Arkadenganges erhalten blieben. Für den Wiederaufbau des Prinzipalmarktes wurde eine Art „Masterplan“ entwickelt, der die erklärte Absicht vertrat, dem neu zu errichtenden Prinzipalmarkt ein möglichst einheitliches Gepräge zu geben, statt eine exakte Rekonstruktion des Vorkriegszustands anzustreben. So entstanden Häuserzeilen, die sich lediglich an dem vernichteten Bestand orientierten. Den Startschuss des Münsteraner Wiederaufbaus gaben allerdings weder die Politik noch die Behörden. Es ist allein dem Engagement einzelner Münsteraner Bürger und Kaufleute geschuldet, die mit der Wiederherstellung begonnen haben, ohne auf eine etwaige Genehmigung zu warten. Dieser Wiederaufbau hatte seinen Anfang im Nachbargebäude, das der Familie Schnitzler gehörte. Politik und Behörden betrieben intensive Planungen, um die Stadt Münster am Aasee neu aufzubauen. Das Haus P41 entwarfen die Architekten Benteler und Wörmann im Jahr 1950, wobei ihre Entwürfe auf drei Etagen umgesetzt wurden. Aus finanziellen Gründen wurde der Bau des geplanten Giebels vorläufig zurückgestellt. Man begnügte sich mit einem provisorischen Giebel, der letztendlich 60 Jahre überdauerte.
Seit mehr als hundert Jahren ist das Haus im Besitz der Familie Viehoff. Der jetzige Eigner, Tobias Viehoff, beschloss, das Gebäude umfassend zu sanieren. Um die obersten Geschosse nach jahrelangem Leerstand wieder als Wohnraum nutzen zu können, wurde eine grundlegende Sanierung sowie eine energetische Ertüchtigung erforderlich. Da im Zuge dessen eine Erhöhung der Dachhaut nicht vermieden werden konnte, musste eine Lösung für die veränderte Ortgangsituation gefunden werden. Der „Notgiebel“ sollte durch einen neugestalteten Schaugiebel ersetzt werden, der die Lücke im Straßenbild schließt. Daraufhin wurde ein Wettbewerb zur Gestaltung des Giebels ausgelobt. Prämiert wurde der Entwurf des Architekturbüros Achterkamp und Möller, der durch seine klare Formensprache eine Verbindung zwischen der langen wechselvollen Geschichte des Hauses, den besonderen Gegebenheiten des Ortes und der Gegenwart herstellt. Der neu konstruierte Giebel ist kein Blendwerk und keine Vorhangfassade, die lediglich mit Natursteinplatten verkleidet ist, sondern als eigenständige, massive Konstruktion aus Sandsteinquadern erstellt, die in Kombination mit Backsteinen rückverankert wurde. Mit dieser handwerklichen Ausarbeitung wurde sowohl ein direkter Bezug zur Geschichte des Hauses, die bis in die Gotik reicht, hergestellt, als auch zu benachbarten Gebäuden wie der Lambertikirche und dem Rathaus genommen. Die Sanierung umfasste die beiden Obergeschosse des Hauses. Der Dachstuhl wurde komplett erneuert und es entstanden vier kleine, attraktive Wohnungen.
Jahr
2021-2022
Ort
Münster, Deutschland
Art
Giebel- und Innenraumsanierung
Status
Fertiggestellt
Entwurf Giebel
Achterkamp + Möller Architekten